„Für uns, unseren Manager und das Team ist es win-win-win.“ – Jobsharing bei Google.
Elly Oldenbourg und Sabine Georg © Andreas Rentz/Getty Images
SabElly - das sind Elly Oldenbourg und Sabine Georg, ein Creative Agency Manager-Tandem bei Google Deutschland. Sabine und Elly haben uns im Interview erzählt, wie sie sich gefunden haben, was sie an Jobsharing begeistert und wie ihre alltägliche Organisation als Tandem so abläuft. Außerdem geben sie noch ein paar Tipps, wie flexibles Arbeiten funktionieren kann und verraten, weshalb man sich viel weniger Sorgen machen sollte, was die enge Teamarbeit und eine eventuelle Verlangsamung der Corporate Karriere betrifft.
Liebe Elly, liebe Sabine. Ihr arbeitet als Creative Agency Manager im Jobsharing bei Google. Wie kam es dazu? Wie habt ihr euch als Tandem gefunden?
Sabine: Ich habe seit meiner Ausbildung zum Systemischen Coach, mit der ich im Mai 2016 angefangen habe, mit der Idee, auf Teilzeit zu gehen gespielt. Diese Idee zwar auch mit meinem Manager besprochen. Aber wenig konkret - mehr so als “losen Plan” … Dann hat mich irgendwann im Januar 2017 Elly kontaktiert, ob ich bereit wäre, mit ihr ein Jobshare zu machen. Da ich wusste, welchen Mehrwert Elly unserem (Creative Agency) Team bringen würde und auch, dass ich - neben vielen Sachgründen - große Lust hatte, mit ihr zusammenzuarbeiten, weil sie ein toller Mensch ist, habe ich sofort JA gesagt!
Elly: Ich habe einen anderen Weg, aber mit ähnlichen Weichen hinter mir. Nach meiner Entscheidung in Teilzeit arbeiten zu wollen, habe ich offen mit meinen Managern, Mentoren und HR darüber gesprochen. Nach vielen Denksportaufgaben hat mir jemand den Tipp gegeben, dass Sabine erwägt in Teilzeit zu gehen. Ich mochte Sabine, ihre Arbeit und auch ihr Team schon immer (mit dem ich sowieso schon im Gespräch war, da es eine passende inhaltliche Weiterentwicklung für mich ist) - und so war es eine wunderbar glückliche Fügung mit uns. Unser Manager brachte von Beginn an auch einen offenen Mindset für die Idee mit und unterstützte die Idee - und so ging es dann auch ganz schnell, als wir den konkreten Vorschlag mit Verantwortlichkeiten, Zeiteinteilungen, Abstimmungsrhythmen usw. machten.
„Life is short, and so is my work week: I work Monday through Wednesdays only. For urgent matters please contact my job share partner … at our joint email address: ….“ – Das ist eure Signatur, die wir großartig finden. Erzählt doch mal, was eure Beweggründe sind, weniger zu arbeiten?
Elly: Neben meiner Ausbildung zum Coach in 2014/15 gab es einige einschneidende Erlebnisse in meinem Leben, unschöne wie schöne (z.B. die Geburt unseres Sohnes). Die gewollt und ungewollt gesammelten Erfahrungen ließen mich profunde Fragen stellen - und da landet man auch ganz schnell beim Thema Zeit und wie man seiner Zeit Wert gibt. Eine sehr individuelle Frage, aber auch eine sehr lohnende - denn das Leben ist kurz! Und so entwickelte sich bei mir die Nebentätigkeit als Coach & Ausrichter sinnstiftender Events, diverse Weiterbildungen (nicht der Zettel, sondern des Interesses wegen!), Gehversuche als Autor, dem Nachgehen von Hobbies (sehr unterschätzter Zeitvertreib!) und nicht zuletzt und sehr gewinnbringend: die Zeit als entspannte Mama mit unserem Sohn. Ich hätte vorher nicht gedacht, dass der Zugewinn an Lebensqualität tatsächlich so groß ist. In meinem Fall vor allem, die deutlich höhere innere Gelassenheit und äußere Ruhe, sprich der bewusste Umgang mit allen und allem in meinem Leben – und dadurch wiederum höheres Engagement, Frische und Fokus wenn ich in meinem Corporate Job arbeite.
Sabine: Ich sage immer: ich habe Freitags frei, um frei zu sein, neue Felder zu erobern (sorry, für das leichte Überstrapazieren des FREI/Tags . Raum für neue Lernerfahrungen, aber auch einfach mal Raum für ‘Nichts’ zu schaffen. Für: einfach nur da sein und zu schauen, worauf ich Lust habe.
Ich arbeite zwar weniger bei Google, nutze aber die 20%, die frei geworden sind, für Dinge wie Unterrichten (an der Miami Ad School) oder für Coaching. Und auch, um auszuschlafen, zu entspannen, Spaziergänge, Kurztrips, usw. - für “Me Time”, sozusagen.
Ihr teilt euch eine Mailadresse, wie klappt das? Und wie organisiert ihr euch sonst?
Elly: Das wichtigste im Jobshare sind zwei Dinge:
Erstens, dass es zwischen den beiden Partnern gut funktioniert; und dass es zweitens für alle, die mit uns arbeiten rund läuft.
Dazu gehört die Komplexität in der Zusammenarbeit mit uns auf ein Minimum zu reduzieren. Eine gemeinsame Email Adresse erreicht genau das: interne wie externe Ansprechpartner müssen sich keine Gedanken machen, wen sie anschreiben müssen, um eine Antwort zu erhalten. Eine Email an SabElly genügt – und wir koordinieren uns, wer wie reagiert.
Sabine: Wir sind beide sehr kommunikativ und gut organisiert. Sprechen alles ab, sprechen überhaupt über alles. Sitzen nebeneinander und teilen uns mit, so dass SabElly sehr schnell ein lebendiges - und nicht nur ein formales Konstrukt ist!
Wie teilt ihr eure Aufgaben auf? Und in welcher Hinsicht tickt ihr ähnlich, wo unterscheidet ihr euch?
Sabine: … das beginnt bei rein äußerlichen Unterschieden: Elly ist dunkelhaarig, ich bin blond. Sie ist neu im Creative Agency Team, ich bin von Anfang an dabei und damit seit fünf Jahren in der Rolle. Elly kann Yoga, ich nicht. Ich ziehe immer gern die Analogie einer “arrangierten Ehe” heran: es ist mehr Vernunft als Romantik im Spiel. Aber viel Respekt und Sympathie. Wir sind sehr transparent und ehrlich miteinander und geben uns Feedback. Immer auf Augenhöhe und immer wertschätzend. Das ist wichtig, denn SabElly ist neu und ein Experiment “work in progress”. Ähnlich sind wir in der Kommunikation, in der Herangehensweise und in der Schnelligkeit, mit der wir arbeiten. Wir sind - das kann ich mit Stolz sagen - sehr effektiv. Ein wichtiger Punkt dabei ist das Aufteilen der Arbeit. Um manche Projekte und Agenturen kümmern wir uns gemeinsam oder geben zusammen Workshops. Gleichzeitig hat Jede aber auch ein eigenes Portfolio an Agenturen und Kompetenzfeldern – wir sind ja auch immer noch zwei Individuen...
Elly: Perfekt beschrieben. Ich möchte unterstreichen, dass die Aufteilung gewisser Aufgaben / Partner tatsächlich genug Raum gibt, um in die Tiefe zu gehen und man sich nicht auf allen Themen nitty gritty abstimmen muss - aber es eben kann.
Was sind die größten Vorteile, vielleicht aber auch Herausforderungen für eure Kollegen und Vorgesetzten? Und wie haben sie auf euer Arbeitsmodell reagiert?
Sabine: Für uns, unseren Manager und das Team ist es win-win-win. Eine Person mehr im Team (= Elly), mit weiteren Kompetenzen und einer zusätzlichen Ressource - das rechnet sich nicht nur gut für den Arbeitgeber, sondern man kann sagen - die Rechnung geht für alle Beteiligten auf, und das ganze Modell ist einfach nur gut. Hilft intern und auch extern. Da wir mehr “gewuppt” bekommen.
Die Kollegen haben durchweg positiv reagiert, sind sehr interessiert. Fragen: “Was klappt gut bei eurem Jobshare, Was muss man beachten?, usw.” und man spürt, dass es von großem allgemeinen Interesse ist.
Für unseren Manager bedeutet es unter anderem ein Personalgespräch (wir sagen One-on-One) mehr. Denn neben den üblichen One-on-Ones haben wir jetzt auch jede Woche ein One-on-Two sozusagen. Etwas mehr Aufwand für uns alle also, da mehr Absprachen nötig sind. Lohnt sich aber!
Elly: Ein riesen Vorteil für mich persönlich ist: ich habe immer Sparrings-Partner an der Seite -in unserem Fall sogar jeweils einen Coach- was wirklich großartig für die eigene Lernkurve ist. So lese ich Präsentationen oder wichtige Emails eben nicht mehr 10x, sondern vielleicht nur noch 2x, da sich eben 4 Augen damit beschäftigt haben.
Der große Vorteil für alle, die mit uns arbeiten ist: es ist immer jemand zu erreichen, es gibt keine Kommunikationslücken. Das ist auch der größte Unterschied zum reinen Arbeiten in Teilzeit ohne einen Partner, in dem ich die Beobachtung mache, dass die Kollegen sich noch mehr als vorher als “Gejagter” ihrer Emails / Termine fühlen.
Wie laufen eure Mitarbeitergespräche ab und werdet ihr auch individuell evaluiert?
Sabine: Google hat eine ausgeprägte Feedback-Kultur und es gibt eigentlich kaum ein Meeting, sei es intern oder extern, in dem wir nicht aufgefordert sind, Feedback einzuholen und Feedback zu geben. Was Mitarbeitergespräche angeht, haben wir ebenfalls eine recht hohe Frequenz- es gibt jede zweite Woche ein Gespräch mit dem Manager.
Seit unserem Jobshare haben Elly und ich nicht nur das 1:1 mit unserem Manager. Sondern auch ein 1:2 sozusagen, wo das “SabElly Duo” mit dem Team Chef bespricht, woran wir arbeiten. Mindestens einmal im Jahr gibt es ein großes Performance Review, bei dem man neben dem Manager Feedback auch Rückmeldung von Kollegen bekommt (“Peer Reviews”). All diese Reviews und Gespräche laufen sehr transparent ab, weil alle Beteiligten wissen, welche Ziele es gibt und wonach wir bewertet werden. Google versucht hier nicht nur Transparenz, sondern auch Objektivität reinzubringen. Es gilt: “Prove it with Data”, um eine Evaluierung nur nach Gusto und Bauchgefühl soweit wie möglich auszuschließen. Was unsere Bewertung angeht, gilt: wir sind zwei Personen und arbeiten auf durchaus unterschiedlichen Projekten. Also werden wir auch als Individuum bewertet. Trotzdem schwingt immer das “we two are one” mit, denn wir sind SabElly und es wird durchaus bewertet, wie gut wir den Jobshare hinbekommen. Das zusammengenommen ergibt eine Gesamtnote pro Person.
Elly: Die Sorge vor einer “unfairen” Bewertung und potentielle Verlangsamung der Karriere, ist meiner Erfahrung nach die größte Sorge von Menschen, überhaupt über ein Jobshare nachzudenken. Das ist nicht nur schade im Hinblick auf die individuelle Frage nach guter Lebensqualität, sondern auch unnötig was die Evaluierung der eigenen Arbeit angeht.
Denn wie Sabine sagt: jeder von uns Jobsharing Partnern ist natürlich auch ein Individuum mit individuellen Projekten und Zielen. Hinzu kommen eben auch gemeinsame Ziele. Und beide werden bewertet, woraus sich dann eine Gesamtnote für jeden einzelnen ergibt.
Insofern: ja, es gibt im Jobshare einen Teil der Arbeit, auf der beide als Team zusammen bewertet werden und somit eine gewisse Abhängigkeit - aber in welchem Team ist das nicht der Fall, dass Abhängigkeiten bestehen? Bei uns ist das jetzt einfach “formalisiert”.
Wenn man sich die Frage nach einem anderen, vielleicht sogar zukunftsfähigerem Arbeitsmodell stellt, dann kann ich bei dieser Sorge ehrlich gesagt nur flapsig hinzufügen: “Get over it”… und einladen, das lange einmassierte Denkmuster zu durchbrechen, dass Erfolg und Anerkennung nur im Alleingang erreicht werden.
Was glaubt ihr ist wichtig, damit flexibles Arbeiten gelingen kann? Habt ihr Tipps?
Elly: Vor allem eins: ciao Ego! Für Ellbogenmentalität, auch subtile, ist kein Platz. Und genau hier liegt eine ganz große Chance für uns Corporate Monkeys (und für unsere Gesellschaft überhaupt)! In Ko-Kreation geht vieles deutlich besser, als als Einzelkämpfer.
Sabine: Sich im Vorfeld klar machen, wie man Part Time und Jobshare gestalten möchte. Transparenz schaffen über “was ist die Motivation?” Und vor allem: viel sprechen, nach dem Motto: “you cannot over-communicate”. Offen über alles reden: Erwartungen, Enttäuschungen, Wünsche; jegliches Feedback schnell ansprechen und adressieren.
Bitte vervollständigt den folgenden Satz: „Jobsharing bedeutet für mich…“
Sabine: …ein Gewinn auf allen Seiten: mehr Raum für Wachstum. Beruflich, persönlich - Win:Win!
Elly: – ich hätte es nicht besser formulieren können, danke Sabine!
Vielen Dank für das tolle Interview und die Einblicke und weiterhin viel Erfolg!